Erweiterter Kommentar zum Gästebucheintrag

G.H-4 schrieb:
"Ich bin mit vielem einverstanden: Wenig Kinder, nicht ausreichende Bildung der Heranwachsenden (Pisastudien), sinkende Moral, doch das Sie uns Deutsche als faule Menschen bezeichnen (S.189) ist beleidigend und nicht annehmbar. Nur Fleiß und Bescheidenheit hat uns nach der verheerenden Niederlage 1945 wieder auf die Beine gebracht und wir sind heute als bestes Exportland der Welt bekannt. Auch ist unser Wohlstand nicht der schlechteste. Wir sind die Fleißigsten!"

Mein Kommentar:

Geehrter Herr oder geehrte Frau G.H., Ihr letzter Satz ist Eigenlob. Doch "Eigenlob stinkt". Mit welchen Kriterien messen Sie den Fleiß? Ein Chinese, auch viele andere Völker richten auf den steilen Abhängen der Berge Terrassen ein und züchten in schwierigsten Umständen Gemüse. Auch die deutsche Bauern pflegen mühsam auf den vielen Böschungen die Weinrebe. Wer von diesen zwei Landwirten die mühevoll reiche Ernten für die Mitmenschen erzielen, oder vielleicht die Banker die den Bauern Kredite geben, oder die Steuerbeamte die bei ihnen einen Teil des Einkommens einräumen - unabhängig ob sie Chinesen oder Deutsche sind - wer von ihnen sind die Fleißigsten?

Auch wir Deutschen aus Russland wurden schon immer als fleißige, bescheidene, arbeitsfähige deutsche Menschen bezeichnet. Und das bestätigen die Völker die in der Nachbarschaft mit den deutschen Kolonisten lebten ("Fremder Lob klingt"). Die Russlanddeutschen die in Russland, in der SU im 20. Jahrhundert drei bis vier Mal enteignet und vertrieben wurden rafften sich immer wieder zusammen, fassten Mut, überwinden alle Schwierigkeiten denen sie von den Sowjets absichtlich ausgesetzt wurden, bauten Häuser, legten neue Wirtschaften an, die Kinder gründeten neue Familien, zeugten und erzogen viel Kinder und wurden wohlhabender als die Ansässigen Völker. Ja, das war der bekannte Fleiß der Deutschen, sie kämpften bis aufs Letzte und fassten wieder Fuß. Durch solche Menschengruppen bekamen die Ansässigen Völker in Russland, Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Baltikum und auf den Balkanen eine Vorstellung vom deutschen Fleiß und trugen so der Ökumene das Image der deutschen Nation bei.

Aber heute begegnen wir auch solche Deutsche die sich dem Schicksal ergeben haben und die sich mit der Sozialhilfe begnügen. Und nicht erklärbar, äußerst traurig das es unter ihnen auch viele junge, gesunde und sogar gebildete Menschen gibt. Ist etwa das auch der deutsche Fleiß? In einer TV-Sendung (Phoenix, 07.04.09) wurde behauptet, das wir Deutsche weltweit als fleißige Nation bekannt sind weil 66 % der Tätigen gerne ihren Beruf ausüben. Also sind wir nicht die Fleißigsten, sondern nur zwei Drittel der Deutschen sind fleißig.


Oskar Schulz
Leipzig, 2009


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